Obst und Gemüse – wenn man sich mit Stillleben auseinandersetzt, dann lässt sich das Thema nicht umgehen. Früchte sind seit der Antike ein Thema der Bildenden Kunst.
Ich habe mich oft gefragt, warum ich sie als Sujet zeitgleich mit Plastik bearbeitet habe und warum ich beides beim Fotografieren ähnlich gleich behandelt habe. Ein Grund mag in der unaufdringlichen, ständigen Gegenwart der Lebensmittel Obst und Gemüse wie der Gebrauchsgegenstände aus Kunststoff im Alltag liegen. Auf einer rein formalen Ebene stelle ich fest: Wesentlich ist beiden in ihrem dinglichen Charakter die starke Farbigkeit bei unterschiedlicher Textur. Das eine wie das andere lässt sich „nackt“, ohne Attribute und Kennzeichnungen, fotografieren.
Grundsätzlich fällt mir es mir dennoch schwer, eine schlüssige Antwort auf die Frage nach der scheinbar unvermuteten Begegnung beider Gruppen zu geben. Das Thema ist ambivalent.
Früchte sind organischer Natur. Sie unterliegen einem Lebenszyklus aus Vererbung, Aussaat, Wachstum, Vergehen, Ernte, Verzehr, Verrottung. Plastik, ein Produkt chemischer Labore, ist diesem Zyklus nicht unterworfen. Seine Überreste überschwemmen die Welt, ohne sich selbsttätig in einen reproduzierenden Zyklus einzufügen.
Gemeinsam ist Obst, Gemüse und Plastik, dass sie als Massenprodukte aus industrieller Fertigung regelmäßig im Einkaufswagen landen. Sie sind Waren des alltäglichen Bedarfs, Konsumgüter und als solche in der Werbung allgegenwärtig. Sie sind Stellvertreter unserer Lebensweise.
Gedanklich eröffnet sich ein größeres Spannungsfeld. Obst und Gemüse rufen unwillkürlich die Assoziation von Natürlichkeit und Ursprünglichkeit auf. Daraus erwächst die Halluzination, dass wir durch sie möglicherweise doch mit einem paradiesischen Urzustand verbunden sind. Plastik markiert als Produkt der Petrochemie den maximalen Abstand zu diesem Urzustand, nämlich dessen Zerstörung.
Der eine Gedanke führt uns in die Transzendenz, der andere Gedanke konfrontiert uns mit den fatalen Folgen unseres Handelns im Hier und Jetzt.
Möglicherweise ist es dieser Zusammenstoß, der mich zeitgleich zu beiden Themen geführt hat.