Es entsteht so ein Laboratorium, eine gereinigte Sphäre, in der nichts außer der puren Sichtbarkeit der Dinge seinen Platz hat. Goedickes Bilder rufen die Erinnerung an die unter Studiobedingungen entstehende Werbefotografie auf: deren spiegelnde Flächen, die präzise Ausleuchtung und die makellose Erscheinung der Objekte in ihrer häufig grellen Farbigkeit. Er spielt an auf dieses Idiom und konterkariert es doch zugleich. In einer Art Camouflage gebraucht er Elemente ihrer Grammatik, um mit ihnen aber zu einer gegenläufigen Aussage zu kommen. Denn wo die Sprache der Werbung den Anschein der Eindeutigkeit vermitteln möchte, (…) dort loten Goedickes Bilder gerade die Vielschichtigkeit der Dinge aus, die Unabsehbarkeit ihrer Erscheinung. (…)
Vor allem aber interessiert Goedicke, wie sich die vermeintliche Identität des einzelnen Dings verändert, wenn es mit anderen in einen Dialog tritt, und was geschieht, wenn es vor einem neuen Hintergrund platziert wird. Dies scheinen formale Fragen, hinter denen jedoch die grundsätzliche Fragwürdigkeit der Wirklichkeit aufleuchtet. Gemeint ist ihre Prozessualität, ihre stetige Wandlung in der Sichtbarkeit, deren Grund und Begriff wir nicht kennen, für deren Erfahrung die Kunst der Moderne jedoch in vielfältigen Anläufen eine bildliche Sprache entwickelt hat. (…)
Goedickes Bilder konstatieren nicht einzelne Objekte in fragloser Identität, die sie voneinander abgrenzt, sondern vielmehr einen stetigen Transfer zwischen ihnen. Ihre Kontur ist nur am äußeren Rand eine distinkte Linie. Dort aber, wo sie beieinander stehen, wird das Dazwischen thematisch, eine Zone des farblichen Austauschs voller Suggestivität, die über die physischen Grenzen hinausgeht. (…)
Wichtiger noch als die Dinge wird hier das, was sich zwischen ihnen zeigt. Gerade diese Bilder verdeutlichen, dass das Sichtbare über das zu Benennende hinaus zu reichen vermag.
aus: Heinz Liesbrock, Zwischen dem Sichtbaren – Claus Goedickes Stilleben,
erschienen in Goedicke Hatje Cantz Verlag 2001